Forum 2022 digital

Zehn Jahre Kreativpotentiale – und jetzt? Wo stehen wir? Was haben wir geschafft? Und vor allem: Wie sieht kulturelle Bildung in Zukunft aus?

Wider Sense TraFo, das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und die Stiftung Mercator veranstalteten am 8. und 9. März in Lübeck den zweitägigen bundesweiten Kongress „Forum Kreativpotentiale 2022“ mit dem Titel „Kulturelle Bildung – Bildung der Zukunft“. Gemeinsam mit über 250 Teilnehmenden aus Bildung, Wissenschaft, Kultur und Politik schauten sie zurück auf zehn Jahre Arbeit. Helmut Seidenbusch von der Stiftung Mercator, Förderin des Projekts, stellte fest: „Neben dem Bedürfnis der Schulen, ihre alltäglichen Herausforderungen mit den Mitteln der kulturellen Bildung konstruktiv zu bearbeiten, ist es auch ein Anliegen der Bildungspolitik geworden, die Qualitäten der kulturellen Bildung in der Unterrichts- und Schulentwicklung zu nutzen – eine großartige Entwicklung in den letzten zehn Jahren.“

Forum Kreativpotential 2022: Im Gespräch

Die Interview-Reihe mit allen Key-Note Speakern der Veranstaltung.

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Der Rückblick auf zehn Jahre Kreativpotentiale zeigte also: Vieles wurde schon erreicht. Im Mittelpunkt der zweitägigen digitalen Veranstaltung stand jedoch der Blick in die Zukunft. Denn für alle Beteiligten steht fest: Das Rahmenprogramm „Kreativpotentiale im Dialog“ geht zwar zu Ende, aber das darf nicht das Ende der Bemühungen sein, die Relevanz und die Potentiale der kulturellen Bildung weiter voranzubringen. Vieles muss sich noch bewegen. Neuer Schwung, neue Impulse sind nötig, für die das Abschlussforum den Auftakt bildete.

Helmut Seidenbusch, Leiter des Bereichs Kulturelle Bildung der Stiftung Mercator, wird auf dem Forum Kreativpotentiale interviewt. Foto: O. Malzahn

Helmut Seidenbusch, Leiter des Bereichs Kulturelle Bildung der Stiftung Mercator, im Interview. Foto: O. Malzahn

Mit kultureller Bildung Zukunft gestalten

Gleich zu Beginn wies Ulrike Sommer, Geschäftsführerin von Wider Sense TraFo, mit Blick auf die Zukunft kultureller Bildung darauf hin: „Kulturelle Bildung stärkt Menschen darin, auch ungewisse Perspektiven als Chance zu begreifen und nicht nur mögliche Krisen, Verbote oder Verluste zu sehen. Insofern ist das Entwicklungspotential kultureller Bildung noch längst nicht ausgeschöpft.“

Ulrike Sommer, Geschäftsführerin von Wider Sense TraFo, hört im Plenum den anderen Referent*innen auf dem Forum Kreativpotentiale zu. Foto: O. Malzahn

Ulrike Sommer, Geschäftsführerin von Wider Sense TraFo, hört im Plenum den anderen Referent*innen auf dem Forum Kreativpotentiale zu. Foto: O. Malzahn

Ein Aspekt, den auch Karin Prien, Kultusministerin von Schleswig-Holstein und Präsidentin der Kultusministerkonferenz im Jahr 2022, in ihrer Keynote zur Zukunft der kulturellen Bildung aufgriff. Ihrer Meinung nach komme der kulturellen Bildung eine besondere Bedeutung dabei zu, Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen, mit aktuellen Herausforderungen und den Unsicherheiten der Zukunft umzugehen. Zudem sei kulturelle Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung, für die Vermittlung politischer und demokratischer Kompetenzen sowie für die Ermöglichung von Teilhabe zentral.

Ministerin Karin Prien beim Forum Kreativpotentiale. Foto: O. Malzahn

Ministerin Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, eröffnete das Forum Kreativpotentiale mit einer Keynote. Foto: O. Malzahn

Was es aus ihrer Sicht braucht, um kulturelle Bildung zukunftsfest zu machen? Kulturelle Bildung vor allem mithilfe dauerhafter Strukturen nachhaltig in Schulen zu verankern, sie als Querschnittsaufgabe zu begreifen und mit multiprofessionellen Teams zu arbeiten. Der Ganztagsunterricht könne ebenfalls eine Chance sein, um kulturelle Bildung im Schulalltag zu etablieren. Für Karin Prien steht fest: „Das Ziel besteht darin, die Qualität der kulturellen Bildung präsent zu halten, indem sie mit Grundsatzthemen der Bildungs-, Jugend- und Kulturpolitik sowie gesellschaftspolitischen Themen verknüpft wird. Zentrale Fragen sind dabei, wie globale Herausforderungen bewältigt, das Zusammenleben in einer heterogenen Gesellschaft gestaltet und unsere Bildungssysteme verbessert werden können.“

Kulturelle Bildung als länderübergreifende Aufgabe

Im Gespräch mit Lydia Grün, Professorin an der Hochschule für Musik Detmold, sprach die Ministerin über ihre Agenda als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK). Um kulturelle Bildung dauerhaft im Kontext von Schule zu verankern, plane sie, die Empfehlung der KMK zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung (erstmals veröffentlicht 2007, 2013 erstmals überarbeitet) zu aktualisieren, gerade auch mit Blick auf die Lehrer*innenaus- und -weiterbildung. Qualitätsstandards zur Zusammenarbeit von Schulen mit Künstler*innen werde die KMK ebenfalls neu formulieren. Wichtig sei es, kulturelle Bildung als Querschnittsthema zu behandeln und multiprofessionell aufzustellen. Klar sei: „Ein Lehrer ist kein Künstler und ein Künstler ist kein Lehrer – aber sie können gegenseitig voneinander lernen.“ In ihrer Vermittlerposition als KMK-Präsidentin wolle sie, so Karin Prien weiter, dafür sorgen, dass die Länder zu einer gemeinsamen Verständigung und Zusammenarbeit kommen. Ziel müsse es sein, die unterschiedlichen Herausforderungen und Bedarfe der Länder herauszuarbeiten und gleichzeitig gemeinsame Ziele und Bedarfe zu formulieren.

Ministerin Karin Prien im Interview mit Prof.in Lydia Grün auf dem Forum Kreativpotentiale. Foto: O. Malzahn

Ministerin Karin Prien im Interview mit Prof.in Lydia Grün. Foto: O. Malzahn

Kulturelle Bildung – Ursache und Lösung gesellschaftlicher Ungleichheit

Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, Inhaber des Lehrstuhls für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück, beleuchtete in seiner Keynote wiederum die Bedeutung der kulturellen Bildung für Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen. Für den Erfolg von Kindern sei vor allem das eigene Elternhaus maßgeblich, da Einkommen, Bildungsgrad und soziales Umfeld den größten Einfluss auf die Entwicklungschancen von Kindern hätten. Wenn das Ziel sei, diese Ungleichheit in der Gesellschaft auszugleichen, sei das aktuelle Schulsystem schlecht aufgestellt. Denn „Schulen sind an der Produktion von Ungleichheit nicht beteiligt, aber sie ändern auch nichts an der Reproduktion von Ungleichheit.“

Tina Gadow und Keynotespeaker Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani auf dem Forum Kreativpotentiale. Foto: O. Malzahn

Keynotespeaker Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani im Gespräch mit Tina Gadow. Foto: O. Malzahn

Um das zu verbessern, müsse sich die Rolle der Eltern verändern, denn auf diese stütze sich das Schulsystem nach wie vor und dieser Zustand zementiere die Ungerechtigkeit. Darüber hinaus sei es wichtig, nicht nur auf die Schule zu blicken, sondern bereits bei der frühkindlichen Bildung anzusetzen. Denn Benachteiligung präge Biografien nachweisbar ein Leben lang und bestünde schon, bevor Kinder eingeschult würden. In der kulturellen Bildung liege besonderes Potential, diese Ungleichheit zu beseitigen. Gleichzeitig trage sie aber auch zu deren Verfestigung bei. „Kaum etwas in unserer Gesellschaft ist so ungleich verteilt wie der Zugang zu Kunst und Kultur. Kulturelle Bildung ist also einer der zentralen Treiber gesellschaftlicher Ungleichheit. Gleichzeitig kann sie jedoch ein entscheidender Hebel zur Lösung dieses Problems sein. Denn kulturelle Bildung fördert nicht nur die Selbstwirksamkeit von Kindern und Jugendlichen und stärkt ihr Selbstvertrauen, sondern ermöglicht ihnen auch den Zugang zu einem anderen sozialen Umfeld – alles Faktoren, die für den Erfolg eines Lebensweges wichtig sind und zu einer größeren Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft führen.“

Auch Aladin El-Mafaalani verwies auf die enorme Bedeutung der kulturellen Bildung, um Kinder und Jugendliche auf eine zunehmend ungewisse Zukunft vorzubereiten. Damit Kinder und Jugendliche Fragen wie „Was kann die Zukunft bieten“ oder „Wie wollen wir leben“, beantworten können, sei der Wille und die Fähigkeit zu gestalten notwendig – etwas, was nur kulturelle und politische Bildung vermitteln könnten.

„Kreativpotentiale“ als Beispiel gelungener Kooperation von Staat und Stiftungen

Kooperationen von Staat und Stiftungen haben auch und gerade das Handlungsfeld kulturelle Bildung in den letzten anderthalb Jahrzehnten geprägt. Im Rahmen der – von der Stiftung Mercator ausgerichteten – Abendveranstaltung im Lübecker Dom am 8. März aus Anlass des 10-jährigen Bestehens des Rats für Kulturelle Bildung und des länderübergreifenden Projekts Kreativpotentiale im Dialog war daher auch dies ein Thema. Ulrike Sommer machte deutlich, dass drei Faktoren zum Erfolg der Kreativpotentiale als Kooperationsprojekt von Staat und Stiftungen beigetragen haben: 1. Die beteiligten Länder waren von Anfang an mit eigenen Ressourcen und schlüssigen Konzepten für ihre jeweiligen Landesprojekte in das Vorhaben der Stiftung Mercator eingebunden. 2. Die Länderprojekte sind dem gemeinsamen Ziel verpflichtet, kulturelle Bildung möglichst nachhaltig und tief im schulischen Alltag zu verankern, folgen aber unterschiedlichen Ansätzen und setzen unterschiedliche Akzente – anknüpfend an in den Einzelländern bereits vorhandene Aktivitäten und Strukturen. Und schließlich 3. sorgt die länderübergreifende Vernetzung – moderiert und begleitet bis 2019 durch die MUTIK gGmbH, ab 2020 durch Wider Sense TraFo – für inhaltliche und methodische Impulse, für fachlichen und strategischen Austausch wie auch für einen Erfahrungs- und Wissenstransfer unter den Länderakteur*innen. Die Bündelung von Ressourcen und eine Stärkung des gemeinsamen Anliegens, eine Qualitätssteigerung in den Landesprojekten als Ergebnis des regelmäßigen Austausches sowie das Teilen von Expertise und Materialien werden von den Ländern selbst als wichtiger Mehrwert der Vernetzung benannt.

Eine Kamerafrau filmt ein Panel auf dem Forum Kreativpotentiale. Foto: O. Malzahn

Das Forum Kreativpotentiale wurde live aus der Musikhochschule Lübeck gestreamt. Foto: O. Malzahn

Zukunftsfest mit Netzwerken und Strukturen

Das Potential von kultureller Bildung, transformativ zu wirken und Grenzen zu überwinden, durchzog als Gedanke auch das Gespräch von Ulrike Sommer und Helmut Seidenbusch mit Dr.in Dorit Stenke, Staatssekretärin im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein. Es sei die Aufgabe von Kunst zu zeigen, wie Grenzen überwunden werden können. Wichtig sei, die Neugier, die jedem Kind inhärent ist, aufzunehmen und sowohl Struktur zu geben als auch zu verdeutlichen, dass diese veränderbar und gestaltbar sind. Dies sei, was Schule und Kita schaffen müssen, so Stenke. Um die letzten Hürden zu überwinden und kulturelle Bildung als Teil von Schulentwicklung zu etablieren, sei es notwendig, Strukturen und Ausstattung zu verstetigen. Modellprojekte seien häufig sehr erfolgreich gewesen, aber danach passierte zu oft nichts und die Projektstrukturen wurden wieder abgewickelt. Bei kultureller Bildung müsse klar werden: „Das geht nicht wieder weg, denn das ist kein Projekt“, sagte Dorit Stenke.

Staatssekretärin Dr. Dorit Stenke auf dem Forum Kreativpotentiale. Foto: O. Malzahn

Staatssekretärin Dr. Dorit Stenke. Foto: O. Malzahn

Um Bewegung in diese Entwicklung zu bringen, brauche es Verbündete. Ulrike Sommer und Dorit Stenke betonten dabei die Bedeutung kommunaler und regionaler Vernetzung. Zudem müssten Vorhaben sichtbar und konkret sein, damit sich jemand engagiere, so Stenke: „Kein Mensch engagiert sich für eine Struktur.“ Sie wies aber darauf hin: „Strukturen schaffen auch Räume“. Helmut Seidenbusch wiederum betonte die Notwendigkeit, eine gesamtgesellschaftliche Debatte anzustoßen. „Es gibt gesamtgesellschaftlich noch nicht genug Offenheit, das System Schule zu verändern. Diese muss weit über das Bildungssystem hinaus gehen“, glaubt er. „Vernetzung ist das Gebot der Stunde.“

Kulturelle Bildung im Freien erleben

Wie sich kulturelle Bildung in der Praxis konkret gestaltet kann, wurde in den vielfältigen Workshops des Kongresses erlebbar. So beispielhaft im Workshop von Dr.in Johanna Pareigis von „Die Bewegung Lernen im Freien“ aus Schleswig-Holstein, welche die Idee des Draußen-Lernens mit der kulturellen Bildung verknüpft. Sie sagte: „Unsere Bewegung möchte Lernende wie Lehrende dabei unterstützen, sich zu freien und mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu entwickeln. Die kulturelle Bildung ist hierfür ein wichtiger Baustein. Denn sie fördert nicht nur kreatives, sondern auch kritisches Denken und stärkt gleichzeitig die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit Anderen. Das sind unserer Meinung nach genau die Fähigkeiten, die wir für eine Bildung der Zukunft brauchen.“

In ihrem Workshop, der unter dem Motto „Lernen durchlüften!“ stand, versorgte sie, gemeinsam mit Antje Smorra, Kreisfachberaterin und Lehrerin im Kreis Schleswig-Flensburg, die Teilnehmer*innen mit Hintergrundinformationen und Forschungsbeiträgen zum Konzept des Draußen-Lernens. Darüber hinaus konnten sich die Teilnehmer*innen durch anschauliche Praxisbeispiele inspirieren lassen, wie Lernen im Freien gemeinsam mit kultureller Bildung umsetzbar ist. Eine Gelegenheit, die Möglichkeiten des Konzepts selbst zu erleben, wurde im Rahmen des Workshops geboten: Mit dem Auftrag, mit geschlossenen Augen die Töne ihrer Umwelt zu erhören und zu dokumentieren, wurden die Workshopteilnehmenden weg von ihren Bildschirmen und hinaus an die „frische Luft“ geschickt. Anschließend wurde das Gehörte reflektiert – verbunden mit den Fragen: „Wie könnte der Sound der Zukunft klingen? Wie würde die Welt dann aussehen?“. So wurde das Konzept erlebbar und war als Impuls für die eigene kulturelle Arbeit der Teilnehmenden sichtbar und hörbar inspirierend.

Kulturelle Bildung an Dritten Orten – „Kulturkirche“ St. Petri

Dass kulturelle Bildung an sogenannten „Dritten Orten“ eine besondere transformative Kraft entfalten kann, wurde in einem weiteren Workshop  am Beispiel der „Kulturkirche“ St. Petri in Lübeck eindrucksvoll veranschaulicht. Mithilfe von Videosequenzen konnten die Workshopteilnehmenden die Wirkung der Kulturkirche mitsamt der dort aufbereiteten Kunststaustellung erkunden. An die Erkundung anschließend wurden Methoden entwickelt, mit deren Hilfe ein solcher Ort erschlossen und zugänglich gemacht werden kann. In Gruppenarbeit unter Mitwirkung der Studierenden der Musikhochschule Lübeck sowie Schüler*innen aus Mölln wurden diese Methoden gemeinsam in Gruppen erarbeitet und vor Ort erprobt. So gelang es zu zeigen, wie ein solcher Dritter Ort und die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen des Raumes, Ausgangspunkt und Beitrag für kulturelle Bildung sein kann. Dritte Orte sind dem Konzept des amerkanischen Soziologen Ray Oldenburg zufolge Orte außerhalb der häuslichen Umgebung (erster Ort) und des Arbeitsplatzes (zweiter Ort), an denen sich Menschen treffen und über Angelegenheiten und Zukunft des Gemeinwesens austauschen. Damit Dritte Orte und Schulen besser zusammenfinden, müsse laut Oldenburg eine stärkere Öffnung der Schulen nach außen stattfinden. Gleichzeitig sollten Dritte Orte als Ausgangsorte kultureller Bildung bereits in der Lehrer*innenausbildung mitgedacht werden.

Schüler*innen und Studierende erarbeiten in der Kulturkirche St. Petri eine Performance. Sie sind im Raum verteilt und zeigen mit ihren Armen in verschiedene Richtungen. Foto: O. Malzahn

Impression aus dem Workshop „Kollaborationen und Kooperationen – Dritte Orte und transformative Kraft der kulturellen Bildung am Beispiel von St. Petri“. Foto: O. Malzahn

Futures Literacy: Zukünfte lesen lernen

Zukunft ist vielfältig zu denken. Dies war in einem dritten beispielhaft zu nennenden Workshop Ausgangspunkt einer Forschungsreise in die Zukünfte der (kulturellen) Bildung. Nach einem Blick auf das Modell der „Futures Literacy“ (UNESCO / Riel Miller) entwickelten die Teilnehmenden mithilfe der vom Education Innovation Lab Berlin entwickelten „Zukunftsbox Arbeit“ ihre Zukunftsszenarios.

Myrle Dziak-Mahler, Kanzlerin der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, eröffnete den zweiten Teil des Workshops mit einer Einladung, sich der Gegenwart mit einer ganz persönlichen Vision von Zukunft zu stellen.

Anhand eines Zukunftstrends aus den zuvor entwickelten Szenarien entstanden im Anschluss komplexe Bedarfslandschaften für die Bildung nächster Generationen. Ein Trend wie „Arbeiten auf der ganzen Welt“ verlangt zum Beispiel Sprachenbildung, Resilienz und Diversitätsfähigkeit. Ein Trend wie „Maschinen erledigen die Arbeit“ braucht „Computational Intelligence“, Ethik, logisches Denken und naturwissenschaftliche Kompetenzen. Kulturelle Bildung liefert dafür, so die Teilnehmenden, Gelegenheiten und Labore für die Diskussion von Wertesystemen, Improvisationsfähigkeit, Angebote zum Perspektivwechsel, Problemlösungsfähigkeit, Neugier oder das Verständnis einer persönlichen „Fähigkeitenlandschaft“.

Anke Troschke von der Stiftung Mercator sitzt an einem Schreibtisch und nimmt mit ihrem Notebook am digitalen Workshopprogramm teil. Foto: O. Malzahn

Die Organisator*innen und Referent*innen schalteten sich aus der Musikhochschule Lübeck in die digitale Veranstaltung ein. Foto: O. Malzahn

Dieser Workshop konnte aufzeigen, dass in allen entwickelten Szenarien kulturelle Bildung als wichtiger Treiber und Garant für die Entfaltung einer Vielfalt an Kompetenzen und Fähigkeiten gesehen wird und dass sie damit für die zu erwartenden Zukünfte Bildungschancen und Bildungserfolg verbessern kann.

Kreativpotentiale – zentrale Erkenntnisse aus zehn Jahren

Prof.in Dr.in Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss von der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel und der Universität Hildesheim resümierte am Ende der zweitägigen Konferenz die wichtigsten Gedanken und Erkenntnisse mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre, vor allem aber mit der Perspektive auf die Zukunft der kulturellen Bildung.

Klar sei, dass die kulturelle Bildung nicht als kurzfristige Problemlösung oder als „Add-on“ tauge, sondern dass sie erst in der langfristigen Umsetzung nachhaltig ihre Wirkkraft entfalte. Insbesondere der Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung könne hierbei eine Chance sein, kulturelle Bildung dauerhaft zu etablieren – als offene Schule für andere außerschulische Lernräume. Dabei dürfe, ja müsse die kulturelle Schulentwicklung als eine tatsächliche Reformbewegung gesehen werden, die sich des offensichtlichen Reformbedarfs annimmt. Für Prof.in Dr.in Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss steht fest: „Mehr denn je brauchen wir kulturelle Bildung!“

Eine Person spielt Gitarre auf dem Forum Kreativpotentiale. Foto: O. Malzahn

Impression aus dem Workshop „Kollaborationen und Kooperationen – Dritte Orte und transformative Kraft der kulturellen Bildung am Beispiel von St. Petri“. Foto: O. Malzahn

Das Ende des Programms – ein Momentum für mehr

Zum Abschluss der Konferenz griff Helmut Seidenbusch einen Gedanken auf, der bei Prof.in Dr.in Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss bereits angeklungen war und als Gefühl die zweitägige Konferenz geprägt hatte:

„Wir sind viele! Ich bin sicher, viele von Ihnen haben zuweilen auch das Gefühl: Man ist Einzelkämpfer, man ist allein unterwegs. Man kämpft alleine oder nur mit ganz wenigen für eine Sache. Das ist aber nicht richtig! Allein bei diesem Forum waren wir Hunderte!“

Dies wurde auch eindrucksvoll verdeutlicht durch die vielen Nachrichten im gemeinsamen Tagungs-Chat, in denen Teilnehmer*innen Vorhaben, zu denen sie im Laufe der Konferenz inspiriert wurden, als Selbstbeauftragungen für die Zukunft formulierten. Diese bezogen sich oftmals auch auf Vorhaben, die aus den Praxisbeispielen der Workshops inspiriert waren. Auch der Wille zur weiteren Vernetzung wird darin mehr als deutlich.

Wie Helmut Seidenbusch motivierte auch Ulrike Sommer die Teilnehmenden dazu, mit dem Selbstvertrauen des bereits Geschafften im Rücken weiterzumachen. Vernetzung mit unterschiedlichen Akteur*innen, auf kommunaler Ebene, aber auch länderübergreifend, sei dabei zentral.

„Dieses Forum hat gezeigt, dass es nicht nur den Willen, sondern auch die Fähigkeit gibt, dieses Momentum aufzunehmen und daraus etwas Neues zu bauen“, äußerte sich Helmut Seidenbusch optimistisch und ergänzte: „Wir sollten nicht vergessen: Die Menschen sind alle noch da. Wir alle haben Lust und den Elan miteinander weiterzuarbeiten.“ Dieser Schwung durchzog die zweitägige Konferenz merklich und wird sicherlich mit ihr nicht enden.

Das Programm zum Nachlesen

Hier finden Sie das Programm des Forums Kreativpotentiale 2022 zum Nachlesen.

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Kontakt

Ulrike Sommer

Geschäftsführerin und Projektleiterin

Ulrike Sommer ist Geschäftsführerin der gemeinnützigen Wider Sense TraFo gGmbH. Als Bildungswissenschaftlerin, frühere Referatsleiterin der nordrhein-westfälischen Landesregierung und erfahrene, langjährige Geschäftsführerin verantwortet sie nun große Netzwerkprojekte im Bereich der Kulturellen Bildung. Und unterstützt Stiftungen, Unternehmen und die öffentliche Hand dabei, kluge Lösungen zu finden, zu verbreiten und zu verankern – in Sachen Bildung und darüber hinaus.

Yasemin Akkoyun

Projektmanagerin

Yasemin Akkoyun ist bei Wider Sense TraFo seit Mai 2021 Projektmanagerin im Projekt Kreativpotentiale im Dialog. Sie ist für die Vernetzung und Beratung der Partner*innen in den Kreativpotentiale-Landesprogrammen zuständig.

Dr. Annette Klein

Projektmanagerin

Dr. Annette Klein war von März 2020 bis Mai 2021 für Wider Sense und Wider Sense TraFo als Projektmanagerin tätig. Insbesondere im Rahmen des Projekts „Kreativpotentiale im Dialog“ begleitete, beriet und vernetzte sie Akteur*innen und Projekte kultureller Bildung bundesweit. Ihr Fokus lag dabei vor allem auf einer erfolgreichen Verstetigung bewährter Projektstrukturen und -inhalte sowie auf Fragen strategischer Kooperation und Kommunikation im Feld Kulturelle Bildung – auch im Sinne einer bundesweiten Themenanwaltschaft.